Worte für die Woche
Von Christine Melzer (Prädikantin)
Der Friede Gottes sei mit Euch allen!
Liebe Gemeinde und Freunde unserer Gemeinde
Auf der Mauer steht MAMI. Es ist keine gedankenlose Schmiererei. Es ist sorgsam und umsichtig gearbeitet worden. Zuerst wurden die dicken weißen Striche aufgetragen, dann kamen noch die feinen grünen Konturen dazu. So wurden die weißen Buchstaben leicht lesbar. Gut, es ist kein großartiges Kunstwerk, aber jemand hat sich was dabei gedacht.
MAMI ist ein liebes Wort, ein Kuschelwort mit zärtlichem Klang. Oft ist „Mama“ das erste Wort überhaupt, das ein Kind spricht. Und, seien wir ehrlich, das Wort, worauf die Mutter sehnsüchtig wartet. Eine Mutter möchte von ihrem Kind angeredet werden, bemerkt werden. Der Papa ebenso. Nur ist MAMI das leichtere Wort.
Warum steht wohl dieses Sehnsuchtswort an der Mauer?
Da können wir nur mutmaßen. Vieles ist möglich, auch die Angst vor einem Verlust. Es gibt diese MAMI nicht mehr, nach der hier schreibend gerufen wird. Es hat sie vielleicht nie gegeben. Jemand bezeichnet mit den vier gesprühten Buchstaben das, was er vermisst.
Oder es ist eine Ehrung. Jemand drückt aus, wer ihm viel bedeutet. Er oder sie setzt hier der Mutter ein kleines Denkmal. Vielleicht wird diese MAMI es auch mal lesen, wenn sie vorbeigeht. Und lächeln. Einfach so lächeln. Oder sogar ahnen, wer die Buchstaben geschrieben hat. Ich stelle mir vor, dass das ein junger Mann war. Einer, der sich Hilfe erhofft; oder wenigstens ein Zuhause. Aber das ist Spekulation.
MAMI ist das Sinnbild für ein Zuhause, das nicht infrage gestellt wird. So erklingt es auch beim Propheten Jesaja. In einer einzigartigen Wärme gibt Jesaja Gottes Worte wieder, ER sagt: auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. (Jesaja 66,12-13)
Das Volk Israel auf den Knien und in den Armen Gottes – was für ein Bild. Und alle, die angesprochen werden im Exil in Babylon, werden Jubeln vor Freude, wenn sie bald wieder in ihrer geliebten Heimat leben dürfen. Gott, der sich hier als Mutter bezeichnet, wird alle nach Hause bringen und sich als Herr der Welt erweisen.
MAMI ist das Wort, das Sinnbild, für ein „Alles wird gut!“ Das ist nicht in allen Familien erfüllt, das wissen wir. Es gibt schlimme Konflikte, manchmal über Jahre. Es gibt bittere Worte, die nie mehr aus dem Leben eines Kindes verschwinden. Das ist schlimm.
Auch unsere derzeitige Situation schreit nach MAMI. Unsere Welt steht still. Der Alltag ist zum Erliegen gekommen. Normalität ist mein Sehnsuchtswort und ich kann mir vorstellen, auch das Ihre.
Menschen suchen zeitlebens ihren „Alles wird gut“ – Ort. Den Ort der Geborgenheit, der entweder heil macht oder Unheil gar nicht erst zulässt. Einen Ort, der wie ein Nest ist. In dem man einerseits das Fliegen lernt – in den man aber andererseits auch jederzeit liebend gern zurückkehrt. Die Welt und das Leben machen unruhig und machen Heimweh. Heimweh nach dem „Alles wird gut“. Wir haben uns gerade darauf eingestellt weiterhin soziale Kontakte zu meiden und bekommen unseren Alltag nicht so schnell zurück. Die Sehnsucht nach „Alles wird gut“ wird immer größer.
Zu allen Zeiten gab und gibt es Menschen, die diesen Ort im Glauben finden. Ich will euch trösten, sagt Gott, wie einen seine Mutter tröstet. Das ist eine Einladung zum „Alles wird gut“. Wohl denen, betet der Psalm 84: Wohl denen, die in deinem Haus wohnen, denn dort sind sie zu Hause wie der Vogel im Nest.
Manchmal ahnen Menschen, wie brüchig ihre eigenen Häuser und alle ihre Lebenspläne sind. Und spüren ihr Heimweh, das mehr ist als nach Hause wollen. Dann ist es oft eine Hilfe, sich an Gott zu wenden wie an die Mutter, die tröstet. Daran soll uns das Sehnsuchtswort MAMI erinnern. Wer zu Gott betet, hofft auf ein „Alles wird gut“.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, sei mit Euch allen, jetzt und alle Zeit. Amen
Barmherziger Vater,
du bist der Vater allen Trostes und willst uns trösten wie eine Mutter.
Wir bitten um deinen Trost:
Für alle, die den Mut verloren haben, weil ihnen der Arbeitsplatz gekündigt wurde oder sie keinen Ausbildungsplatz mehr haben.
Für alle, die die Hoffnung verloren haben, weil sie schwer krank sind, weil eine Beziehung zerbrochen ist, die für ihr Leben wichtig war.
Für alle, die keinen Trost mehr finden wegen der Kriege und Hungersnöte dieser Welt, durch Verbrechen oder Unfälle und die Pandemie.
Für alle, die den Halt verloren haben, weil ein lieber Mensch gestorben ist oder angesichts des eigenen drohenden Todes.
Für alle Menschen in den Durststrecken des Lebens und des Glaubens.
Für deine Gemeinde, wenn wir zweifeln, weil deine Botschaft nur wenige Zuhörer findet.
Darum bitten wir dich durch deinen Sohn, unseren Bruder und Herrn, der bis in den Tod hinein dir alle seine Bitten anvertraut hat. Amen