Worte und Gedanken für die Woche von Thomas Lehne, Lektor unserer Gemeinde
Die Gnade des Herrn sei mit uns allen, AMEN.
Liebe Gemeinde, liebe Freunde unserer Gemeinde,
Ostern ist gefeiert. Das ist ein Satz, den wir in normalen Zeiten so sagen könnten.
Ostern ist gefeiert, wir haben uns getroffen am Gründonnerstag, um das letzte
Abendmahl zusammen zu halten. Am Karfreitag kamen wir zusammen um an die
Kreuzigung unseres Herrn zu denken.
Dann der Ostersonntag. Der Einzug in die Kirche mit der Osterkerze unter
den Klängen des Neustädter Blechs, der Hall des Rufes: Der Herr ist auferstanden,
er ist wahrhaftig auferstanden. Die vertrauten Stimmen, die Texte, die Ostergeschichte, die Predigt.
Dann das gemeinsame Frühstück im Gemeindesaal, Freude, dass das Frühjahr beginnt, die düstere Zeit ist vorbei.
---Nichts von alledem ist in diesem Jahr geschehen. Es bleibt nur die Erinnerung
in meinem Kopf aus den letzten Jahren.
Meine Frau und ich sind nach Hannover gefahren. Dort wohnen unser Sohn, unsere
Schwiegertochter und ihre beiden Kinder, unsere Enkel. Wir klingeln, der Summer ertönt und wir gehen durch das Treppenhaus in den zweiten Stock. Mit der glockenhellen Stimme des Kleinen, er ist gerade mal zweieinhalb Jahre alt, werden wir schon lautstark begrüßt.
„Oma, Opa, der Osterhase war da, kommt schnell“. Nicht einem von uns auf
den Arm springend wie sonst, nein, er zieht uns mit seinen kleinen Händen in das Wohnzimmer, wo wir seine Ostergaben bestaunen sollen. Gerade haben wir noch Zeit, die anderen drei zu begrüßen.
Dann wache ich auf. Nicht Hannover. Ich liege zwischen Traum und Wirklichkeit in meinem Bett und erkenne, dass es in diesem Jahr anders ist als in den anderen Jahren. Wir sind nicht nach Hannover gefahren, haben die Kinder nicht besucht. Denn auch wir gehören inzwischen zur „Risikogruppe“, wie die meisten in unserer Gemeinde.
Es zerreißt uns innerlich und doch müssen wir vernünftig sein.
Ich denke an Geburtstage, die im allerkleinsten Kreis oder gar nicht gefeiert werden, Urlaube, welche verschoben oder storniert werden. Besuche in Alten- und Pflegeheimen, keine Proben und Treffen in Vereinen und Chören, keine Konzerte. Gerade in diesem Jahr, 75 Jahre nach dem Bombenangriff auf den Celler Bahnhof und der „Hasenjagd“, auch hier kein Schweigemarsch, kein Gedenken.
Zum Glück durften Frau Feddersen und Frau Schlichting eine Mahnwache in den Triftanlagen abhalten.
Am Schlimmsten aber, wenn man keinen Abschied nehmen kann.
Kein tröstendes Wort Auge in Auge bei sterbende Menschen und deren Angehörigen,
die Beerdigungen im kleinsten Kreis, wie wir es zurzeit in den Traueranzeigen
lesen müssen. Eine Belastung besonderen Ausmaßes.
In schlechten Zeiten wie jetzt komme ich mir manchmal vor wie Hiob. Was musste er nicht alles ertragen, als Gott und der Satan gewettet haben um seines Glaubens willen. Hiob war schon immer meine Lieblingserzählung in der Bibel, auch wenn der Inhalt nur auf den ersten Blick einfach erscheint. Zum Ende der Erzählung kommt Hiob dann doch zu der Erkenntnis, dass Gott der Herr ist und wir die Seinen, welche nicht verstehen können, welcher Plan für uns gemacht wurde.
Wenn ich mich daran erinnere, schäme ich mich. Wie kann ich meine und unsere Situation mit seiner vergleichen? Dagegen sind wir doch noch gut dran.
Viele von uns haben Familie, Freunde, die Gemeinde. Auch können wir Briefe schreiben, telefonieren oder sogar Video-Anrufe tätigen. Wir sind nicht allein, auch wenn es uns manchmal so vorkommt.
Wir wissen nicht, was das alles mit dem Virus, welcher uns gerade in die
Ruhe und Isolation bringt, zu tun hat. Im besten Fall die Erkenntnis, dass
Geld, Reichtum und Sorglosigkeit nicht alles im Leben sind.
Menschlichkeit, Mitgefühl, Liebe und das Teilen von Freud, Leid, aber auch von irdischen Dingen machen das wahre Leben aus.
Ich hoffe, dass Sie trotz allem ein gesegnetes Osterfest gehabt haben.
Gerade kommt mir der Urlaub vom letzten Herbst in den Sinn. Im Speisesaal prangt der Auszug aus dem Buch Kohelet in großen Lettern an der Wand.
Sie kennen ihn bestimmt, die für mich wichtigsten Sätze schreibe ich Ihnen:
„Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz; eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, die Umarmung zu lösen, eine Zeit zum Zerreißen und eine Zeit zum Zusammennähen, eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden, eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.“
Diese Worte trösten mich, wenn es mal wieder nicht so rund läuft; und ich denke
an all das Gute, was Gott mir in meinem bisherigen Leben gegeben hat.
Seien Sie behütet durch den dreieinigen Gott mit dem Text eines meiner
Lieblingslieder „Möge die Straße“, in dem es im Refrain heißt:
„Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott Dich fest in seiner Hand,
und bis wir uns wiedersehen, halte Gott Dich fest in seiner Hand.“
AMEN